Beurteilungen der
Gentechnologien
Gentechnologie ist
der Überbegriff für eigentlich drei sehr unterschiedliche Verfahren, die
sich ihrerseits natürlich weiter differenzieren lassen: Klonen,
Embryonenforschung / Präimplantationsdiagnostik (PID) und
Genmanipulation. Alle drei Bereiche sind für alle Beteiligten völliges
Neuland. Es gibt keine erprobten Lösungen, keine Regeln, nach denen diese
Technologien angewendet werden müssen. Die ethischen Kriterien sind der
Maßstab für eine neue Gesetzgebung, und bei deren Entwicklung ist zu
beachten, dass sie möglichst logisch richtig, emotional vertretbar und
praktisch durchsetzbar sein sollte. Bisher sieht es eher
so aus, dass die philosophischen, logisch richtigen Vorschläge dem Gefühl
und dem „gesunden Menschenverstand“ widersprechen und andererseits die
emotional als richtig empfundenen Ansätze philosophisch nicht
widerspruchsfrei begründbar sind. Viele neigen nun dazu, rein gefühlsmäßig
den Einsatz der genannten Techniken abzulehnen. Ich bin jedoch der
Ansicht, dass man sich nicht nur auf seine Gefühle zurückziehen kann,
die meistens das Herkömmliche, Bewährte schützen wollen und in Neuem
automatisch eine Gefahr sehen. Dadurch wird der Menschheit die Möglichkeit
genommen, sich weiterzuentwickeln und veraltete Moralvorstellungen
abzulegen. Ich bin weiterhin der Meinung, dass alles, was gefühlsmäßig
als unbedingt richtig angesehen wird, auch philosophisch begründbar ist.
Ist dies bisher nicht gelungen, mangelt es an richtigen Ansätzen. Schließlich
sind wir keine Gesellschaft, die ihre größten Werte auf Unwahrheiten
aufgebaut hat. Für ein Gefühl gibt es oft auch gute logische Gründe.
Die Kunst ist nur, darauf zu kommen. Wenn jemand
einerseits in dieser Debatte eine Position bezieht und andererseits diese
Position dann durch Ausnahmen und Abwägungen wieder aufweicht, so finde
ich, dass dies eine denkbar schlechte Ausgangsbasis für eine homogene
Gesetzgebung ist. Im Idealfall sollte es für jedes Problem einen Lösungsansatz
geben, mit dem sich, ohne einen Widerspruch zu erzeugen, auch die
Positionen zu den anderen Problemen vertreten lassen und der außerdem
nicht auf subjektive Abwägungen angewiesen ist, sondern absolute
Positionen definiert und diese auch beibehält. Eine solche Lösung
zu finden ist mir selbstverständlich nicht gelungen. Ich halte meinen
Ansatz jedoch – auch, oder gerade, im Vergleich mit den von uns
befragten Experten – für relativ konsequent und logisch richtig. Ich
will meine Ideen und Vorschläge im Folgenden darstellen. Dabei werde ich
nicht jede bisher in dieser Diskussion aufgetretene Position wiedergeben.
Dort, wo ich mich auf Ausführungen anderer Philosophen beziehe, entweder,
um sie zu widerlegen oder meine eigene Argumentation damit zu stärken,
werde ich diese explizit erwähnen und kurz inhaltlich vorstellen. Es ist
jedoch nicht Ziel dieser Arbeit, einen Überblick zu geben über die
bisherige Debatte. Embryonenforschung:
Wann ist der Mensch ein Mensch?
Das Problem, ob man
an Embryonen forschen und sie zu diesem Zweck auch verbrauchen darf oder
nicht, lässt sich schnell auf eine viel grundlegendere Frage reduzieren:
Ab wann ist ein biologisch menschliches Lebewesen schützenswert, oder:
Wann ist ein Mensch (der biologische Mensch, also auch ein Embryo) ein
Mensch (der Mensch als Inhaber der Menschenwürde)? Menschen wird
Menschenwürde zugesprochen, weil sie bestimmte Eigenschaften besitzen,
die ihren Selbstzweck definieren. Dies sind Autonomie,
Entscheidungsfreiheit, Selbstbewusstsein u.a. Dass ein Embryo diese
Eigenschaften nicht hat, ist offensichtlich. Nun gibt es in der Diskussion
zwei Positionen: die eine, beispielhaft vertreten durch Spaemann, fordert,
Embryonen dennoch kategorisch zu schützen. Für die andere Position hat
sich Merkel hervorgetan, der zeigt, dass Spaemanns Argumente nicht haltbar
sind und Embryonen daher kein Schutz zukommen kann. Merkel unterteilt
Spaemanns Ansichten in vier zentrale Argumente: das Spezies-, das
Kontinuums-, das Potenzialitäts- und das Identitätsargument. Dann
widerlegt er jedes dieser Argumente einzeln. Das Speziesargument besagt,
man müsse alles menschliche Leben schützen, nur weil es eben zu dieser
Spezies gehört. Dies ist ein offenkundiger naturalistischer Fehlschluss.
Das Kontinuumsargument erklärt es für unzulässig, zumindest aber willkürlich,
einen Einschnitt in eine kontinuierliche Entwicklung vorzunehmen, wie sie
beim Embryo vorliegt. Merkel behauptet, wenn man eine Grauzone definiert
und einen Einschnitt weit genug davor ansetzt, sei dieser durchaus
legitim. Schließlich bliebe die Nacht ja auch nicht immer Nacht, sondern
werde irgendwann zum Tag, auch wenn die Dämmerung dazwischen ein
Kontinuum darstellt. Das Potenzialitätsargument will das Potenzial zur
Entwicklung eines vollständigen Menschen schützen. Als Gegenbeispiel führt
Merkel an, dass dann auch jede Ei- und Samenzelle geschützt werden müsste,
da sie ebenfalls ein solches Potenzial enthalten. Das Identitätsargument
schließlich sieht eine Identität des Embryos mit dem späteren Menschen
„in der entscheidenden Hinsicht“. Da bereits das Embryonalstadium mit
dem späteren Menschen identisch sei, müsse dieses auch schon geschützt
werden. Diese entscheidende Identität ist nach Merkel aber nur eine
genetische. Und dass diese allein nicht schützenswert ist, hat bereits
das Speziesargument gezeigt. Um diejenigen, die
diese Eigenschaften nicht besitzen, also Behinderte, Alte, Geisteskranke,
Kleinkinder, nicht jeglichem Schutz zu entziehen, führt er die
Gattungssolidarität ein. Diese ist ein zulässiges Prinzip, nach welchem
wir grundsätzlich alles menschliche Leben schützen müssen. Dieser
Schutz ist jedoch nicht absolut, wie könnte er auch, ist er doch ein
emotionales Prinzip, und Gefühle kann man nicht erzwingen. Merkel
verdeutlicht uns dies am Beispiel des brennenden Labors mit 1000
In-Vitro-Embryonen und einem Neugeborenen. Man kann nur entweder die
Embryonen oder das Neugeborene retten. Wie würden wir uns entscheiden?
Dies zeigt auch das Problem auf, das bei einer Beschränkung des Schutzes
der genannten Gruppen auf die Gattungssolidarität auftritt: ein Leben ist
nicht mehr absolut unantastbar, es ist gegen ein anderes abwägbar. Warum
sollte ich, als voll entwickelter Mensch, als Inhaber der Menschenwürde,
nicht einen Behinderten umbringen, weil ich ein Organ von ihm brauche?
Mein Leben ist doch viel mehr wert... So brillant Merkel
argumentiert, so unbefriedigend ist das Ergebnis: ein Embryo ist nicht schützenswert,
ein Neugeborenes erst einmal auch nicht – ab wann ist der Mensch denn
Inhaber der Menschenwürde? Zu dieser Frage hat
sich Ulrich Steinvorth hervorgetan. Dabei zeigt er – biologisch,
wohlgemerkt, nicht philosophisch, – dass das Kontinuumsargument in Bezug
auf die Entwicklung eines Embryos falsch ist. Steinvorth hat ein
Ereignis gefunden, das einerseits den Beginn eines neuen Stadiums markiert
und sich andererseits seiner Meinung nach auch noch hervorragend dazu
eignet, als Beginn des schützenswerten menschlichen Lebens angesehen zu
werden. Ca. 14 Tage nach der Zeugung nämlich hat der Embryo ein wichtiges
Merkmal seines vorherigen Stadiums verloren: er ist nicht mehr beliebig
teilbar. Diese neue Form nennt sich Gastrula. Steinvorth führt zur
Verdeutlichung den Begriff „Dividuum“ ein. Wir würden uns selbst als
Individuen bezeichnen und auch nur solchen die Menschenwürde bzw. ein
Recht auf Leben zusprechen. „Individuum“ bedeutet wörtlich übersetzt
„Unteilbares Wesen“. Da ein Embryo bis zu einem Alter von 14 Tagen
jedoch beliebig teilbar ist, indem man eine Zelle abtrennt, die sich dann
wie ein selbständiger Embryo weiterentwickelt, müssen wir von einem „Dividuum“
sprechen, also von einem „Teilbaren Wesen“. Leben, das beliebig
vervielfältigt werden kann und somit nicht einzigartig ist, ist nach
Steinvorth nicht schützenswert. Sein Vorschlag lautet also, Embryos bis
zu einem Alter von 14 Tagen zur Forschung freizugeben. Da auch jedes Tier
biologisch individuell ist, reicht die bloße Individualität als
Kriterium für die Zuerkennung von Menschenwürde nicht aus. Meine erste
Annahme, dass er dafür auf das Speziesargument zurückgreift, um die
besondere Berechtigung menschlichen Lebens gegenüber tierischem zu
rechtfertigen, hat sich als falsch erwiesen. Stattdessen benutzt
Steinvorth die Individualität nur als hinreichende, nicht als notwendige
Bedingung. Hierfür bedient er sich des Potenzialitäts- und des Identitätsarguments. Hier vergisst
Steinvorth, dass beide Argumente ursprünglich den absoluten Schutz des
Embryos begründen sollten. Warum ein Embryo, wenn er noch teilbar ist,
nicht das gleiche Potenzial wie ein unteilbarer Embryo in sich tragen
soll, ist ebenso unklar, wie die Frage, warum denn nicht ein „Dividuum“
genau so identisch mit dem späteren Menschen ist wie ein
„Individuum“. Steinvorth selbst führt als Begründung für das
Identitätsargument an, der spätere Mensch würde sagen: „Das damals
war auch schon ich!“ Würde er das bis zum 14. Tag nicht sagen?
Steinvorth zeigt, dass jede Zelle sich unabhängig von den anderen
entwickelt, bis ab dem 14. Tag alle Zellen zentral gesteuert werden. Somit
hätten wir bis zu diesem Zeitpunkt nicht eine eindeutige Identität und
daher auch nichts Schützenswertes. Dann müsste man mit dem Potenzialitäts-
und Identitätsargument laut aufschreien: „Doppelmord!“ Was absurd
klingt, ist aber die logische Schlussfolgerung. Wenn jede Zelle eine
Identität und Potenzial hat, so wäre der Tod jeder einzelnen Zelle ein
Mord. Ich will gar nicht weiter auf die Individualität eingehen, auch
wenn ich sie noch aus anderen Gründen als Kriterium für unsinnig halte.
Fest steht doch, dass Steinvorths hinreichende leider nicht mit den
notwendigen Bedingungen „kompatibel“ ist. Erklärt man sich mit den
notwendigen Bedingungen einverstanden, so ist Martens Folgerung, man müsse
wiederum jeden Embryo schützen, richtig. Nachdem Steinvorth bei seinem
ersten Vortrag eindeutig das Speziesargument bemühte, dieses bei unserem
Philo-Abend zugunsten von Potenzialitäts- und Identitätsargument aufgab,
da das Speziesargument nicht haltbar gewesen wäre, kann er nun zumindest
nicht auch noch das Kontinuumsargument benutzen; dieser Widerspruch wäre
wohl zu offensichtlich. Trotz alledem bin ich mir sicher, dass er sich
auch hier herauswinden wird. Wozu der Aufwand,
wird sich mancher fragen, hat nicht schon Merkel beide Argumente
widerlegt? Ja und nein. Einerseits gibt es gegen seine Beispiele nicht
viel einzuwenden. Andererseits beweisen
diese aber auch nicht, dass die Argumente falsch sind, sie führen
diese lediglich ad absurdum. Vielleicht wäre es ja richtig, Ei- und
Samenzelle unter Schutz zu stellen? Außerdem lässt sich dagegen
einwenden, dass beide erst zusammen das Potenzial haben, zu einem Kind zu
wachsen. Zum Identitätsargument lässt sich sagen, dass das Beispiel zwar
demonstriert, wie praxisfern eine solche Norm wäre, was aber nicht das
Argument an sich entwertet. Auch, dass lediglich eine genetische Identität
besteht, ist kein Problem, wenn man davon ausgeht, dass sich alle Zellen
des Körpers alle sieben Jahre komplett erneuern. Das einzige, was der
„neue“ dann noch mit dem „alten“ Menschen biologisch gemein hat,
ist das Erbgut, das auch weiterhin in jeder Zelle identisch ist. Dass diese Argumente
trotzdem nicht den Schutz eines Embryos begründen können, wird klar,
wenn man sich Kants Definition des Selbstzwecks des Menschen verdeutlicht. Der Mensch ist
Selbstzweck, weil er in der intelligiblen Welt eine Kausalkette in Gang
setzen kann. Seine Entscheidungen sind frei und keiner anderen Kausalkette
unterworfen. Daher ist ein Mensch nicht austauschbar, er ist einzigartig.
Darauf, und allein darauf beruht sein Anspruch auf Schutz. Ein Embryo
kann, da er so etwas wie Selbstbewusstsein, Autonomie und moralische
Entscheidungsfreiheit nicht hat, nach diesem Maßstab nicht schützenswert
sein. Auch ist nach Kants Definition nicht einsehbar, warum ein Potenzial
zur Entwicklung dieser Eigenschaften einen Schutzanspruch begründen soll.
Dieses Potenzial ist nicht einzigartig, es ist ein Glied in einer
Kausalkette. Ein Embryo kann erst durch seine freien Entscheidungen diese
Kette durchbrechen und dadurch seinen Anspruch auf Schutz rechtfertigen.
Vorher ist er beliebig austauschbar, denn alles, was einen Embryo vom
anderen unterscheidet, ist sein Genom. Diese genetische Individualität
hat aber, wie Steinvorth gegen Hans Jonas so brillant gezeigt hat,
keinerlei Einfluss auf die Entwicklung der Selbstzweckeigenschaften. Nur
aufgrund dieser biologischen Individualität ist ein Embryo also nicht im
kantischen Sinne einzigartig. Dies zeigt gleichzeitig, warum das Identitätsargument
ebenfalls nicht funktioniert. Die genetische Identität hat keinen
Einfluss auf den Selbstzweck des Menschen, sie kann ihn also auch nicht
begründen. Was sollen wir nun
tun? Uns auf Merkels Gattungssolidarität zurückziehen? Dies wäre der
sichere Tod unserer heutigen Gesellschaft. Aber glücklicherweise
scheitert die logische Konsequenz an der praktischen Durchsetzbarkeit. Wer
will denn beurteilen, wer einen freien Willen, Autonomie,
Selbstbewusstsein etc. hat? Dies ist nie mit absoluter Sicherheit zu
sagen. Dass nicht schon ein ungeborenes, aber körperlich voll
entwickeltes Baby einen freien Willen beweist, wenn es gegen den Bauch der
Mutter tritt, kann nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Wenn wir aber
nicht in der Lage sind, klare Einschnitte vorzunehmen, dann ist jeder
Zeitpunkt willkürlich gewählt. Wir erinnern uns an das
Kontinuumsargument und Merkels Gegenargumentation: er schafft es nicht,
dieses Argument zu widerlegen, indem er behauptet, man könne klare
Einschnitte machen. Er beweist nur, dass wir sehr wohl zulässige
Einschnitte machen können, wenn wir eine Grauzone definieren und dann
weit vorher ansetzen. So unbefriedigend
dies, wie ich bereits in der Einleitung ausführte, ist, so glücklich können
wir uns doch schätzen, dass unsere Technik zu einer solchen Überprüfung
noch nicht in der Lage ist. Da wir nun einmal nach praktischen Lösungen
suchen, möchte auch ich meinen Teil dazu beitragen. Unser Problem ist,
dass wir nicht wissen, wann wir biologisch befähigt sind, freie
Entscheidungen zu treffen. Wir wissen aber, dass wir nicht
in der Lage dazu sind, solange nicht zumindest alle „Teile“ des
menschlichen Körpers vorhanden sind, die auch ein erwachsener Mensch hat
(dass es hierbei nicht auf einen Arm oder ein Bein ankommt, sollte klar
sein). Daraus ergibt sich meiner Meinung nach automatisch ein guter
Zeitpunkt, um zwischen schützenswertem und nicht schützenswertem
menschlichen Leben zu unterscheiden, nämlich der Zeitpunkt, an dem alle
Organe und Körperteile vorhanden sind. Vorher können wir mit Sicherheit
ausschließen, dass wir einen Selbstzweck vernichten, sobald der
menschliche Körper aber komplett entwickelt ist und nur noch wachsen
muss, was dann tatsächlich ein Kontinuum darstellt, beginnt eine
Grauzone, in die wir aus Sicherheitsgründen keine Einschnitte mehr machen
dürfen. Ich habe mich
entschieden, den „offiziellen“ Übergang vom Embryo zum Fötus zu wählen.
Nach dem zweiten Monat nämlich ist der menschliche Körper voll, nur eben
noch nicht fertig entwickelt; er muss noch wachsen. Dieser Punkt (ich würde
zwei Monate hier als acht Wochen definieren) scheint auch deshalb früh
genug, weil ein Schmerzempfinden erst nach neun Wochen zweifelsfrei
nachzuweisen ist und daher auch emotionale Bedenken zumindest abgeschwächt
werden. Embryonen wären also
grundsätzlich nicht schützenswert, erst der Fötus mit einem Alter von
acht Wochen würde zum Inhaber der Menschenwürde. Das
Embryonenschutzgesetz könnte demnach komplett abgeschafft werden, da es
sich nur auf den Embryo bezieht. Der Fötus ist in der deutschen
Gesetzgebung kein Sonderfall, sondern dem gleichen Schutz unterworfen wie
ein erwachsener Mensch. Dies müsste auch weiterhin so bleiben. Diejenigen, die nun
aufschreien, wie man es zulassen könne, an einem Embryo so lange zu
forschen – er sei doch im zweiten Monat schon lange kein bloßer
Zellhaufen mehr – mögen bedenken, was eine restriktivere Regelung zur
Folge hätte: Abtreibung würde praktisch unmöglich. Bereits diese Lösung
beschränkt die zur Abtreibung zur Verfügung stehende Zeit von drei auf
zwei Monate. Z.B. den 25. Tag als Grenze zu wählen (ab dem 25. Tag sind
alle Organe angelegt, das Herz arbeitet usw.) würde einem Verbot
gleichkommen, da Schwangerschaften in diesem Zeitraum oft noch gar nicht
bemerkt werden, von der nötigen Bedenkzeit ganz abgesehen. Viele, auch
Steinvorth (sehr enttäuschend, wie ich fand), machen einen Unterschied
zwischen verbrauchender Embryonenforschung und Abtreibung. Während die
Forschung verbindlich daran gebunden ist, dass Embryonen nach dem 14. Tag
Inhaber der Menschenwürde und damit unantastbar sind, stellt die
Abtreibung nicht nur in der Rechtspraxis, sondern auch in den Ansichten
vieler Philosophen einen Sonderfall dar, der nicht an solche Normen
gebunden ist. So spricht sich Steinvorth zwar einerseits für eine strikte
Abtreibungsregelung aus, gesteht aber auf Nachfrage ein, dass es wohl
Ausnahmefälle gebe. Spricht man einem Embryo Menschenwürde zu, so darf
es eine solche Abwägung aber nicht geben. Das Besondere der Menschenwürde
ist eben, dass sie nicht relativ ist, sondern absolut. Ein Leben darf
nicht gegen ein anderes abgewogen werden. Somit muss eine solche
Gesetzgebung, wie eben von mir vorgeschlagen, auch für beide Fälle
gelten. Leider komme auch ich
nicht ganz umhin, eine Einschränkung zu machen. Der Fall einer
schwangeren Frau, die nur überlebt, wenn das Kind vorher entfernt und getötet
wird, muss anders angegangen werden: hier steht man nicht vor der
Entscheidung Leben gegen Leben, hier kann man sich nur für ein Leben oder
kein Leben entscheiden: die Frau überlebt ohne das Kind, das Kind aber
nicht ohne die Mutter. Wie die Entscheidung hier ausfallen muss, ist klar. Ich bin allerdings
selbst nicht der Ansicht, dass Embryonenforschung unbeschränkt möglich
sein sollte. Hier hilft Merkels Gattungssolidarität weiter. Diese besagt,
wie bereits oben ausgeführt, dass alles menschliche Leben grundsätzlich
geschützt werden muss, im Zweifelsfall aber gegen ein anderes abwägbar
ist. Bei der Abtreibung eines Embryos würde eine solche Abwägung
stattfinden (und im Gegensatz zur Abtreibung eines Fötus, der ja Inhaber
der Menschenwürde ist, ist sie hier auch zulässig), es würde nämlich
die Menschenwürde der Mutter für stärker befunden als die
Gattungssolidarität mit dem Embryo. Meiner Ansicht nach liegt eine solche
Abwägung auch bei der Embryonenforschung zu medizinischen Zwecken vor.
Wie Merkel es formuliert: „Wenn Embryonenforschung moralisch erlaubt und
die Heilung von Leiden moralisch geboten ist, dann ist auch
Embryonenforschung moralisch geboten.“ Ich würde beide Wenn-Fragen mit
„Ja“ beantworten und entsprechend die Schlussfolgerung für zutreffend
halten. In diesem Fall würde eine moralische Norm, nämlich Leiden zu
heilen, also stärker wiegen als die Solidarität mit dem Embryo. Willkürliche
Embryonenforschung ließe sich auf diesem Wege jedoch verbieten.
Wirtschaftliche Zwecke jedenfalls, so lässt sich festhalten, haben keinen
Vorrang vor der Gattungssolidarität (ich hoffe, ich muss dies nicht
weiter ausführen). Dies ist nicht ganz
sauber, weil man ein Gefühl, wie die Gattungssolidarität es ist,
eigentlich nicht vorschreiben kann. Eine Gesetzgebung kann sich jedoch
nicht an den Gefühlen des Einzelnen orientieren, sondern muss versuchen,
eine allgemeine, möglichst für alle annehmbare Lösung zu finden.
Zumindest wäre eine Gesetzgebung, die eine Abwägung auf der Basis der
Gattungssolidarität vornimmt, besser als eine, die dieses Gefühl als
Basis für einen absoluten Schutz menschlichen Lebens benutzt. Das
Embryonenschutzgesetz sollte also nicht ganz abgeschafft, sondern
dahingehend verändert werden, dass es Fälle definiert, in denen
Embryonenforschung bzw. auch die Tötung von Embryonen legitim ist. Die Frage der Präimplantationsdiagnostik
ist letztlich eine ähnliche. Bei der PID werden mehrere Embryonen
erzeugt, die dann auf Erbkrankheiten untersucht werden. Nur ein gesunder
Embryo wird der Frau eingepflanzt, alle anderen werden getötet. Dies ist
die einzige Methode, mit der sichergestellt werden kann, dass Menschen mit
schwerer Erbkrankheit eigene Kinder bekommen, die diese Krankheit nicht
haben. Für das erste Problem der PID habe ich bereits eine Lösung
angeboten: da Embryonen keine Menschenwürde besitzen, können also auch
einige von ihnen erzeugt und dann wieder getötet oder, sinnvoller, zur
Forschung freigegeben werden. Das moralische Prinzip, Leiden für Träger
der Menschenwürde zu verhindern, sollte hier stärker sein als die
Solidarität mit den Embryonen. Viele lehnen PID ab,
weil sie darin eine Selektion sehen. Sicher ist es das. Aber Selektion an
sich ist doch nicht verwerflich. Es kommt nur darauf an, was selektiert
wird. Wenn Selektion beinhaltet, dass schützenswertes Leben vernichtet
wird, weil es nicht einer Norm entspricht und für nicht lebenswert
befunden wird, dann ist das schweres Unrecht. Wenn jedoch nur eine Auswahl
unter mehreren nicht schützenswerten Embryonen getroffen wird, so ist
allein diese Selektion nicht unrechtmäßig. Ich glaube, oft steckt die
Angst vor einem neuen Dritten Reich dahinter, in dem durch Euthanasie eine
solche verwerfliche Selektion vorgenommen wurde. Bei PID geht es aber
darum, zu verhindern, dass Leiden entsteht, nicht darum, Kranken und
Behinderten ihre Existenzberechtigung abzuerkennen. Das Argument, man würde,
wenn man Behinderungen verhindert, Behinderten indirekt ihr Recht auf
Leben nehmen, ist übrigens nicht so grundsätzlich falsch, wie wir dies
zunächst angenommen hatten. Geht man, wie Hößle, davon aus, dass auch
Embryonen schützenswert sind, dann ist das Beispiel von Steinvorth falsch
gewählt. Treffender wäre in diesem Falle folgendes Szenario: es ereignet
sich ein Autounfall, im Auto saßen der Fahrer, der sofort tot war, und
vier Säuglinge, drei verletzt, einer gesund. Die Sanitäter am Unfallort
retten den gesunden, töten aber die drei kranken Säuglinge. Ich vermute,
jeder, der aus einem Unfall mit körperlichen Schäden hervorgegangen ist,
würde beginnen, sich zu sorgen, dass die netten Sanitäter eines Tages
bei ihm vor der Tür stehen und sein unwürdiges Leben ebenfalls auslöschen
wollen. Da ich Embryonen aber
nicht für schützenswert halte, funktioniert dieses Argument bei mir auch
nicht. Oft fließen auch
gesellschaftspolitische Überlegungen mit in die Diskussion ein: führen
insgesamt weniger Behinderte nicht zu einer stärkeren Diskriminierung der
vorhandenen? Aber dies ist doch kein Argument dafür, Leiden zuzulassen.
Es zeigt nur, dass die Toleranz noch immer nicht sehr groß ist und dass
weitere Aufklärungsarbeit geleistet werden muss. Außerdem: würde sich
nicht jeder Behinderte dafür aussprechen, dass es nicht noch mehr
Menschen gibt, die so leiden müssen wie er? Können wir gesunden
Menschen es uns anmaßen, zu entscheiden, dass behinderte Kinder auf die
Welt kommen? Zu sagen, wir hätten die Verantwortung nicht, wenn wir die
Entwicklung dem Zufall überlassen, ist falsch: sobald wir die Möglichkeiten
haben, sind wir in der Verantwortung, und wir tragen die Verantwortung für
jeden Menschen, der behindert zur Welt kommt. Können und wollen wir das?
Ich hoffe doch dass nicht. Klonen: Wann beginnt
Instrumentalisierung?
Der Titel zeigt
schon, mit welchem Problem ich mich in diesem Abschnitt beschäftigen
will. Steinvorth hat bereits – für mich überzeugend – bewiesen, dass
die Individualität eines Klons nicht gefährdet ist, zumindest nicht
mehr, als die eines eineiigen Zwillings. Äußere Einflüsse, die einen
Klon in der Entwicklung stärker behindern als ein normales Kind, sind
kein Argument gegen das Klonen an sich, sondern nur gegen die Erdrückung
von Kindern mit elterlichen Wunschvorstellungen und für eine Aufklärung
der Gesellschaft über die tatsächliche Determination eines Klons. Irrgang führt
dagegen an, Klonen sei eine Instrumentalisierung, und nach Kants
Definition der Menschenwürde sei dies nicht zulässig. Um dieses Argument
beurteilen zu können, empfiehlt es sich, zunächst Kants Begriff der
Instrumentalisierung zu untersuchen. Dort findet sich die sog.
„Selbstzweckformel“, die Irrgang verwendet: „Handle so, dass du die
Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden
anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel
brauchest.“ Diese Formulierung ist leider nicht ganz eindeutig. Im
Prinzip kann ich nämlich jedem Menschen im Umgang mit einem anderen
unterstellen, er benutze diesen nur zu einem Zweck: ich unterhalte mich
mit ihm – aber nur zu meiner Unterhaltung; ich tue ihm einen Gefallen
– aber nur, um hinterher ein gutes Gefühl zu haben. Auf der anderen
Seite ist es schwierig, nachzuweisen, dass jemand in einer bestimmten
Situation einen Menschen nur als Mittel benutzt und ihn nicht zugleich
auch als Zweck gesehen hat. Beispiel: Ich habe ihn zwar gezwungen, das zu
tun, aber es war doch auch zu seinem Besten. Das Problem mit dieser
Definition ist klar: ob ein Mensch instrumentalisiert wird, hängt von der
subjektiven, kaum objektiv zu überprüfenden Einstellung des Täters,
nicht des Opfers ab. Sie ist somit als Basis für eine allgemeine
Gesetzgebung gänzlich ungeeignet. Zieht man Kants
Definition zum Beweis heran, hat übrigens Steinvorth mit seiner Antwort
auf die Frage, ob Eltern ihren Sohn klonen lassen dürfen, damit der Klon
dann Knochenmark o.ä. spendet, Recht. Er führt nämlich an, die
vorliegende Nutzung des Klons als „Ersatzteillager“ wäre noch keine
Instrumentalisierung, da dieser genau so seiner selbst wegen geliebt
werden könne wie der erste Sohn und sonst bei fast jeder Zeugung eine
Instrumentalisierung stattfinden würde, da die wenigsten Kinder nur ihrer
selbst wegen gezeugt würden. Ich bin der Meinung,
dass hier eine andere, klarere Definition der Instrumentalisierung
gefunden werden muss, und möchte dazu auch einen Vorschlag machen. Für
mich beginnt Instrumentalisierung dann, wenn ein Mensch gegen
seinen Willen als Mittel benutzt wird. Dies scheint sinnvoll, da wir
einerseits festgestellt haben, dass die Menschenwürde nach unserem
Empfinden schon lange verletzt sein kann, bevor eine vollständige
Instrumentalisierung vorliegt bzw. nachweisbar ist und andererseits natürlich
nicht jede Benutzung eines Menschen als Mittel auch ein unzulässiger
Eingriff in dessen Würde ist. Diese Variante widerspricht auch nicht der
kantischen Definition. Ich behaupte nämlich, dass jemand, sobald er einen
anderen Menschen gegen dessen Willen zwingt, etwas zu tun, diesen
ausschließlich als Mittel und keineswegs mehr als Zweck braucht; würde
er nämlich noch den Selbstzweck dieses Menschen sehen, so würde er ihn
nicht zu etwas zwingen. Benutze ich einen Menschen zwar einerseits als
Mittel, respektiere aber andererseits seinen freien Willen, ob er dieses
Mittel sein will oder nicht, so sehe ich in ihm immer auch den Zweck;
andernfalls wäre ich nicht auf sein Einverständnis angewiesen. So
gesehen ist meine Definition nur eine Umkehrung der Perspektive und
dadurch wohl etwas einfacher in der Handhabung. Was aber mache ich,
wenn der Wille der jeweiligen Person nicht feststellbar ist? In diesem
Falle darf ich keine Entscheidung treffen, wenn ich nicht a priori davon
ausgehen kann, dass die Person sich in einer bestimmten Weise entscheiden
würde. Noch einmal zur Verdeutlichung: dies wäre eine
Instrumentalisierung, denn warum sonst sollte ich eine Entscheidung möglicherweise
gegen den Willen der Person treffen, wenn nicht zu meinem eigenen Nutzen,
womit der Mensch also wiederum nur ein Mittel zum Zweck wäre. Hier müssen
allerdings auch Ausnahmen gemacht werden: Eltern und ein Vormund sind
durch das Gesetz berechtigt, für Kinder (oder alte Menschen) genau diese
Entscheidungen zu treffen, da Kindern die Fähigkeit abgesprochen wird, zu
ihrem eigenen Zweck zu entscheiden. Natürlich wird vorausgesetzt, dass
die Entscheidungen der Eltern immer zum Nutzen des Kindes sind. Da wir
hier wieder mit der kantischen Definition arbeiten müssen und wir bereits
feststellten, dass sich die Einstellung der Täter kaum überprüfen lässt,
verzichtet der Gesetzgeber darauf, eine Kontrolle vorzunehmen; er hat aber
eindeutige Fälle solchen Missbrauchs unter Strafe gestellt. Ich stelle außerdem
fest, dass die Herangehensweise an das Grundproblem, d.h. ob Klonen
Instrumentalisierung ist oder nicht, meiner Meinung nach falsch ist. Es
wird immer die Zeugung bzw. die Erzeugung eines Klons als
Instrumentalisierung angesehen, da diese bspw. dazu dient, einen
Knochenmarkspender zu schaffen. Für mich ist dies unzulässig. Meiner
Meinung nach muss jeder Schritt, der zu einem solchen Ziel führt, einzeln
darauf untersucht werden, ob eine Instrumentalisierung vorliegt. So wird
eine liebevolle Erziehung durch die Eltern sicher nicht gegen den Willen
des Klons sein, auch wenn sie letztlich dem Zweck dient, ihn als
Knochenmarkspender zu erhalten. Eine Instrumentalisierung liegt erst dann
vor, wenn der Klon tatsächlich gegen seinen Willen dazu gezwungen wird,
Knochenmark zu spenden. Wird er aber nicht gut behandelt, sondern
beispielsweise in einer Abstellkammer untergebracht und misshandelt, so
ist dies eine Instrumentalisierung, unabhängig davon, welche Ziele der
Eltern in diesem Fall zu Grunde liegen. Meiner Ansicht nach ist nicht
jeder Schritt, der als Mittel zu einem Zweck dient, danach zu bewerten, ob
die betreffende Person mit diesem Endzweck einverstanden ist. Vielmehr
muss geprüft werden, ob der einzelne Schritt gegen den Willen der Person
ist. Dies ist absolut keine Freigabe, da der letzte Schritt immer genau
diesem Endzweck unterliegt, welcher abgelehnt werden kann. Außerdem kann
ein einzelner Schritt natürlich im Hinblick auf das Endziel nicht dem
Willen entsprechen, er muss es aber eben nicht. Ich möchte zur Verdeutlichung auf ein
Beispiel Irrgangs zurückgreifen: ein Kind wird gezeugt, damit es später
einmal den Vater als Chef der Firma beerbt. Seine Erziehung durch die
Eltern, die sehr liebevoll sind, tut ihm gut, die Schule, ein
Elitegymnasium, bringt viel Spaß, er studiert wie sein Vater BWL, weil
dies genau seinen Interessen entspricht. Dann soll er die Firma übernehmen
– und sagt nein. Was ich damit zeigen will: nicht jeder Schritt, obwohl
von den Eltern auf das Ziel der Firmenübernahme ausgerichtet, ist eine
Instrumentalisierung, wenn sie auch dem Willen des Sohnes entspricht.
Dieser kann den letzten Schritt immer noch ablehnen. Ich will noch einmal
auf meine Definition der Instrumentalisierung zurückkommen. Eine
Entscheidung für jemanden, den wir nicht nach seinem Willen befragen können,
darf nicht getroffen werden, so nicht a priori davon auszugehen ist, dass
die betreffende Person dieser zustimmen würde. Ein nach diesem Schema zu
bewertender Fall liegt vor, wenn ein Kind gezeugt wird: ich hatte ausgeführt,
dass nicht jeder Schritt nach dem Endzweck bewertet werden darf, es muss
aber jeder Schritt für sich geprüft werden. Wir können das Kind
jedoch nicht fragen, ob es denn gezeugt werden möchte. Dürfen wir in
Zukunft keine Kinder mehr zeugen? Natürlich dürfen wir, denn es ist wohl
unzweifelhaft, dass ein Kind nichts gegen seine eigene Zeugung einzuwenden
hätte, wir können dies also a priori annehmen. Daher ist es
unsinnig, zu argumentieren, die Zeugung eines Kindes sei eine
Instrumentalisierung; diese findet erst statt, sobald das Kind auch zu
einem seinem Willen widersprechenden Zweck verwendet wird. Also ist Klonen
grundsätzlich erlaubt? Nein! Wer aufmerksam gelesen hat, hat bemerkt,
dass ich bisher nie vom Klonen, sondern immer nur allgemein von Zeugung
eines Kindes gesprochen habe. Beim Klonen handelt es sich nämlich um
einen anderen Sachverhalt als bei der natürlichen Zeugung. Da hier ein
Eingriff in die natürliche Entwicklung stattfindet, indem das eigentlich
einzigartige Erbgut eines Menschen noch einmal verwendet wird, ist auch
dies als einzelner Schritt auf dem Weg zum Endzweck anzusehen, der
wiederum darauf überprüft werden muss, ob er a priori die Zustimmung des
Menschen findet. Genau dies ist aber nicht zweifelsfrei zu sagen. Es kann
nicht davon ausgegangen werden, dass ein Kind seinem Vater so ähnlich wie
möglich sein möchte, oder dass es bestimmte Eigenschaften, bestimmte Fähigkeiten,
die den Eltern wichtig erscheinen, haben möchte. Da andersherum der Wille
zu einem einzelnen Schritt aber durchaus vom Endziel abhängen kann, ist
auch dieses darauf zu untersuchen, ob es vom späteren entwickelten
Menschen in jedem Fall Zustimmung finden würde. Für ein Ziel wie
biologische Unsterblichkeit der Eltern oder eben den Wunsch der Eltern,
dass ihre Kinder in ihre Fußstapfen treten, ist dies nicht vorauszusagen.
Ich behaupte aber, dass davon, dass ein moralisches Prinzip dem Willen der
Person entspricht, a priori ausgegangen werden kann. Diese Prämisse ist
natürlich angreifbar. Schließlich ist der freie Wille des Menschen nicht
an moralische Prinzipien gebunden. Es ist jedoch eine Idealvorstellung,
dass der Wille eines Menschen auch immer moralisch gut ist, und da wir bei
der Beurteilung eines Problems von einer Idealvorstellung ausgehen
sollten, halte ich diese Einschätzung für legitim. Die Schlussfolgerung
daraus wäre, dass die Eltern in dem auf unserem Philosophieabend
angesprochenen Fall ihr Kind klonen lassen könnten, um es mit dem
Knochenmark des Klons zu retten, da davon, dass das moralische Prinzip der
Heilung von Leiden die Zustimmung des Klons findet, a priori auszugehen
ist. Wer hier einen
Widerspruch zu meinen eigenen Ausführungen sieht, hat zunächst Recht.
Ich habe selbst auf die Erziehungsberechtigung der Eltern verwiesen. Wenn
diesen also ohnehin das Recht zukommt, für ihre Kinder zu entscheiden,
wozu dann der Aufwand, festzustellen, ab wann eine Instrumentalisierung
vorliegt? Einfach deshalb, weil der Gesetzgeber, wie erwähnt, bestimmte
eindeutige Fälle von vornherein verbieten sollte. Nun bedeutet
„eindeutig“ in diesem Fall leider „eindeutig uneindeutig“, da eben
nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Kind aus bestimmten Gründen
geklont werden möchte. Warum werden dann nicht alle genau so
„eindeutigen“ Fälle verboten? Weil hier ein Unterschied in der Qualität
der Konsequenz vorliegt. Wenn eine Mutter es für sinnvoll hält, dem Kind
blaue Strampelanzüge zu kaufen, aber nicht a priori davon ausgehen kann,
dass das Kind blaue Strampelanzüge mag, dann sind die Folgen für das
Kind, wenn es tatsächlich keine blauen Strampelanzüge leiden kann, doch
deutlich andere, als wenn die Mutter die blonden Haare des Vaters so toll
findet, dass sie deshalb einen Klon von diesem haben möchte, und das Kind
später seine blonden Haare überhaupt nicht mag und damit dann aber sein
ganzes langes Leben herumlaufen muss. Körperliche Konsequenzen einer
Entscheidung haben immer eine andere Tragweite und sind deshalb auch durch
den Gesetzgeber besonders zu verhindern. Ein letzter Punkt fällt
mir noch ein, den man gegen meine Argumente einwenden könnte: ob für
Klone nicht zunächst einmal das Gleiche zutrifft wie für natürlich
gezeugte Kinder, nämlich, dass a priori davon auszugehen ist, dass sie
gezeugt, oder in diesem Falle erzeugt, werden wollen. Meine Prämisse ist
hier natürlich, dass eine Entscheidung zwischen natürlicher Zeugung und
Klonierung ansteht. Die natürliche Zeugung ist sozusagen ein
„Nullpunkt“; sie allein kann keine Instrumentalisierung darstellen, da
sie die natürliche Variante ist, hinter der man eigentlich keinen über
die Zeugung hinausgehenden Zweck erwarten sollte. Wenn ein Ehepaar nun
argumentiert, bei ihnen würde keine Entscheidung zwischen zwei Methoden
fallen, sondern zwischen Klon und gar keinem Kind, und man müsste
entsprechend davon ausgehen, dass das Kind lieber als Klon statt gar nicht
auf die Welt kommen würde, dann ist das nicht korrekt. Zunächst fällt
die Entscheidung zwischen Zeugen und Erzeugen, wenn das Erzeugen dann
durch das Gesetz untersagt wird, beschließen sie, statt einem natürlich
gezeugten doch lieber gar kein Kind zu bekommen.
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